In einigen Geschichten taucht das Wörtchen “xier” auf. “Xier” benutze ich immer dann, wenn ich nicht möchte, dass eine Figur ausschließlich als weiblich oder männlich gesehen wird. Manchmal handelt es sich um ein Kind und es ist für die Geschichte egal, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist. Oder es handelt sich um eine Fantasiefigur ohne Geschlecht. Oder es geht um eine Person, die weder weiblich, noch männlich ist oder ein bisschen von beidem. Dazu später mehr.
Anders gesagt: “Xier” ist ein sogenanntes geschlechtsneutrales Pronomen. Es gibt viel bessere und ausführlichere Erklärungen für geschlechtsneutrale oder geschlechtslose Pronomen von Personen und Organisationen, die sich schon seit vielen Jahren mit der Thematik beschäftigen. Einige davon habe ich unten verlinkt.
Hintergrund: Zwei Geschlechter?
In unserer Kultur wurde lange Zeit davon ausgegangen, dass es nur zwei Geschlechter gibt: Entweder du bist eine Frau oder ein Mann. “Zwei” auf Lateinisch heißt “Bi”, deshalb spricht man auch vom binären Geschlechtssystem. Viele Menschen finden sich in dieser Zweiteilung nicht wieder. Das kann unterschiedliche Gründe haben:
Das biologische Geschlecht
Es gibt biologische Merkmale, mit denen sich Menschen den Kategorien “Frau” und “Mann” zuweisen lassen. Einige dieser Merkmale sind sehr leicht sichtbar, wie ein Bart oder Brüste. Auch einen Teil der Geschlechtsorgane kann man von außen sehen. Um zu sehen, ob ein Mensch etwa Eierstöcke oder eine Gebärmutter hat, braucht es schon ein Ultraschallgerät. Chromosomen und Hormone kann man nur im Labor sichtbar machen.
Einzeln betrachtet kann man diese biologischen Merkmale in die Kategorien “weiblich” und “männlich” einordnen. In Wirklichkeit sind diese Merkmale in ihrer Zusammensetzung aber ganz individuell und die Übergänge fließend. Zum Beispiel bei Männern mit vollen Lippen und langen Wimpern. Oder bei Frauen mit wenig Rundungen. Oder bei Personen mit Bart und Gebärmutter.
Zu den biologischen Geschlechtern gehören unter anderem inter*, weiblich oder männlich.
Die Geschlechtsidentität
Dazu kommt noch eine weitere Ebene, die Geschlechtsidentität. Ich bin eine cis Frau: Bei meiner Geburt wurde aufgrund meiner biologischen Geschlechtsmerkmale festgelegt, dass ich in die Kategorie “weiblich” falle, ich selbst sehe das genauso. Ich bin eine Frau – das ich weiß einfach. Und zwar unabhängig davon, was ich im Spiegel sehe. Egal ob ich ein Kleid trage oder mir die Haare kurz schneide, ich bleibe immer eine Frau.
Wenn das Thema Geschlechtsidentität für dich neu ist und dein biologisches Geschlecht mit deiner Geschlechtsidentität übereinstimmt, ist es für dich vielleicht schwer vorstellbar, dass es überhaupt anders sein könnte. Das ist aber durchaus keine Seltenheit. Agender*, nicht-binäre und trans* Menschen werden von anderen noch oft in die Schubladen “weiblich” oder “männlich” einsortiert, obwohl sie sich selbst in der anderen oder gar keiner Kategorie sehen.
Genau wie die biologischen Merkmale sind auch Geschlechtsidentitäten fließend. Dazu gehören unter anderem agender*, nicht-binär, trans*/cis weiblich und trans*/cis männlich.
sie + er = sier → xier
Es gibt also so viele Abstufungen und Besonderheiten, wie es Menschen gibt. Da reichen zwei Pronomen einfach nicht aus. Vor allem, wenn sie mit zwei so stark voneinander abgegrenzten Kategorien verknüpft sind.
Dafür gab es in der deutschen Sprache lange keine Alternative. Zum Glück gibt es aber Menschen, die sich schon seit vielen Jahren Alternativen überlegen. Dazu gehört Illi Anna Heger. Illi verwendet das Pronomen “xier”, was ich ebenfalls benutze. Außerdem erklärt xier ganz genau, wie das eigentlich mit der Grammatik funktioniert und zeigt Beispielsätze. Es gibt sogar einen Comic!
Was bedeutet das jetzt für mich?
Wenn du diese Erklärungen liest, sind geschlechtsneutrale Pronomen wahrscheinlich noch neu für dich und können sehr ungewohnt klingen. Ich habe auch schon die Rückmeldung bekommen, dass sie schwierig vorzulesen sind oder Kinder “xier” als Namen einer Figur missverstehen.
Ich bin davon überzeugt, dass inklusive Sprache für eine inklusive Welt unentbehrlich ist und glaube fest daran, dass wir mit der Zeit einen guten Weg finden werden. Bis dahin braucht es vermutlich einfach noch ein bisschen Geduld und Übung.
Alternativen
Grundsätzlich können natürlich alle Menschen selbst entscheiden, mit welchen Pronomen sie angesprochen werden wollen. Einige weitere Beispiele sind ze/hir, per/per, dey/dem, e/em, deren/denen, they/them, mensch oder man verwendet den Namen. Einige Varianten davon werden in Zukunft bestimmt auch hier auftauchen.
Außerdem gibt es natürlich auch das neutrale “es”. Das benutze ich bei Geschichten über Tiere und manchmal auch Fantasiewesen, für Menschen finde ich persönlich es nicht so passend. Trotzdem kann es natürlich auch sein, dass ein Mensch sich für “es” als Pronomen entscheidet.
Manche nicht-binäre Personen benutzen trotzdem auch “er” oder “sie” als Pronomen. Wenn du dir unsicher bist, frag doch in einem passenden Moment höflich nach.
Wenn du von einer anderen Person gebeten wirst, andere Pronomen zu benutzen, als du vielleicht zuerst erwartet hast, erklärt dir dieser großartige Comic (auf Englisch), wie du dich verhalten solltest.
Automatisch geschlechtsneutral sind die Pronomen “ich”, “du”, “ihr”, “wir” und “sie” in der Mehrzahl.
Übrigens: Deine Geschlechtsidentität ändert sich nicht. Auch wenn eine Person erst im Laufe ihres Lebens bekannt gibt, dass ihre Geschlechtsidentität von dem ihr zugeordneten oder dir bisher bekannten Geschlecht abweicht – irgendwie gewusst hat sie es wahrscheinlich schon immer. Vielleicht hat ihr bis dahin nur die passende Bezeichnung oder der Mut gefehlt. Den meisten Menschen wird bei der Geburt ja schon ein Geschlecht zugeordnet und anerzogen und das so selbstverständlich, dass wir es oft gar nicht hinterfragen.
Sehr wohl ändern können sich aber deine Pronomen, denn für viele Menschen ist es aktuell noch schwierig, Pronomen zu finden, die für sie stimmig und passend sind.
Bonus-Tipps zum Schluss
Eine gute Idee, die du direkt umsetzen kannst, ist, dich selbst immer mit deinen Pronomen vorzustellen. Also zum Beispiel: “Ich bin Lena und meine Pronomen sind sie und ihr.” Vielleicht hast du auch schon auf Instagram oder anderen Netzwerken gesehen, dass hinter dem Namen die Pronomen genannt werden, also Lena (sie/ihr). Damit wird es ein Stück normaler, dass man Menschen ihre Geschlechtsidentität nicht unbedingt ansieht.
Anstelle von Pronomen kannst du auch immer den Namen einsetzen: “Das ist Lena und das sind Lenas Geschichten.” Wenn du den Namen nicht kennst oder nicht nennen möchtest, kannst du auch auch mit “Person” oder “Mensch” umschreiben: “Eine Person hat mir von Lenas Geschichten erzählt.”
Noch mehr Links und Ressourcen:
Wenn du frisch in das Thema biologisches Geschlecht und Geschlechtsidentität einsteigst oder darüber mit Menschen in deinem Umfeld sprechen möchtest, kann ich dir die wunderbare Genderbread Person (auf Englisch) ans Herz legen.
Das Missy Magazine erklärt noch einmal genauer, was cis bedeutet.
Wenn du Feedback oder Input zum Thema hast, freu ich mich sehr über deine Kommentare.
Vielen Dank an Effi für die großartige und geduldige Unterstützung!